Wegen erneut anstehender Auflösung der kleinen Spediţionsfirma meines Arbeitgebers gings im Rahmen eines Urlaubs am Freitag, dem 9· Mai 2003 los. Nach zwei vormittäglichen Mahlzeiten kultivierter Kost (4 Äpfel, 2 Zuchinis, einen Bissen Maiskolben und einer Handvoll Goldbeeren (Physalis) stand ab Mittag (12h30) nur noch Wildwachsendes auf meinem 12tägigen „Speisezettel”. Bis zum Abend des eben genannten Tages gab ich mich mit einigen wenigen Löwenzahnblättern zufrieden.
Tags darauf gings per Linienbus von Stuttgart in die Mazuren. Vor der Abfahrt in Stuttgart sammelte ich noch über 2½ Pfund Bärlauch, weil mir an meinem Reiseziel keiner bekannt ist. Unterwegs, während der Fahrtpausen, mundeten mir abwechselnd ein halbes Blatt Weidegras, ein bis mehrere Blätter Breitwegerich sowie Rainfarn und sehr viele Lindenbaumblätter. Am Rainfarn roch ich zunächst mehrmals tief einatmend; zum ihn Essen reizte er mich erst später. Gegen Ende der Reise gefielen mir geschmacklich mehrere Löwenzahnblüten.
Gleich nach der endgültigen Ankunft machte ich mich zusätzlich an saftige Stängel des noch blütenlosen Wiesenkerbels. Wie letztes Jahr, verdrehte ich ihn möglichst nahe an der Erde, worauf er dort abbrach und seine faserige Außenhaut sich bestens abschälen ließ. Der so freigelegte Stängel erinnerte mich feinschmec̓kerisch auch diesesmal an Salatgurken.
Auch von einigen kleinen (mir namentlich unbekannten) Pilzen aß ich genüſslich. Früchte gabs ebenfalls, aber nur Hagebutten; Von deren Fruchtfleisch mundete mir bestenfalls mal ein bis zwei Gramm pro Tag. Hingegen Wildgemüse (einschließlich des aus Stuttgart mitgebrachten Bärlauchs) mundete mir pro Tag bereits hektogrammweise.
Ab Mittwoch bestand meine Verpflegung desweiteren aus Ampferblattkäfern, wildem Schnittlauch, Maikäfern und einer sehr großwüchsigen Vogelmiere, deren Blätter bis zu 5 Zentimeter lang werden; gelegentlich auch aus Sauerampfer. Ein einziges Mal bediente ich mich an einem großwüchsigen Egerling (Champignon). Am darauffolgenden Freitag verminderte ich vorübergehend die Essensmengen um meinem Zahnfleisch Erholung zu gönnen von den Pflanzenfasern und Chitinresten, die damit begonnen hatten, sich ziemlich lästig in die Zwischenräume zu schieben. Spät vormittags schmeckte mir ein Ölkäfer angenehm frisch. Am frühen Samstag-Nachmittag war der Bärlauch alle, was meine Eſslust auf Maikäfer beachtlich förderte: 173 Stück an diesem Samstag. Das sättigte mich so sehr, daſs ich am nächsten Morgen (Sonntag) kaum mehr auf irgend etwas noch Eſslust hatte.
Erst früh am Nachmittag aß ich dann wieder reichlich Lindenblätter, Maikäfer, Löwenzahnblüten und Waldschnittlauch; zwischendurch auch eine sich am Spinnfaden abseilende kleine grüne Raupe. Meine geschmackliche Vorliebe für Maikäfer hat daraufhin erneut deutlich nachgelassen.
Am Montagmorgen lag mein letzter Losungsgang bereits acht Tage lang zurück und hatte dabei erneuten. Er hinterließ nicht die geringsten Spuren auf der Haut, war dennoch leichtgängig und (wie bei völlig wildnis-ernährten Tieren) so gut wie völlig geruchslos.
Von der gleichen (vollkommen geruchslosen) Beschaffenheit war übrigens auch die Losung der völlig roh (mit rohen Schlachtabfällen) gefütterten Tiere ─ein Hund und drei Katzen─ meines Gastgebers. Hätte man deren Losung jemandem, dessen Augen verbundenen sind, unter die Nase gehalten, so hätte dieser felsenfest geglaubt, man ließe ihn feuchtes Mehl riechen.
An diesem Montagmorgen hatte ich erneut auf fast nichts Eſslust. Aber auf einem dann unternommenen 9 Km langen Spaziergang war meine körperliche Leistungsfähigkeit dennoch ─der Wildnisverpflegung entsprechend─ zumeist ziemlich gut. Nur auf dem ersten Stück der Wegstrecke schien mir eine kleine Gelände-Steigung nach zwanzig Metern kurz ziemlich beschwerlich. Eine Stunde später schaffte ich eine weitere Bergstrec̓ke mit gleicher Steigung wesentlich leichter.
Nach dem Durchlesen meiner ePost in der nahegelegenen Stadt trat ich Abends um 9h20 (wieder zu Fuß) den Rückweg an. Mit großer Leichtigkeit wanderte ich die 9 Kilometer wieder zurück zu meiner Unterkunft. Auf dem Weg dorthin meldete sich ein kleines biſschen die Eſslust wieder an, die ich mit jeweils wenig Lindenblättern, Löwenzahnblüten und einem maikäfer-großen Käfer (mir unbekannten Namens), der angenehm nach Fisch mundete, stillte. Links und rechts der kleinen Landstraße dufteten erquicklich die Blätter der dort stehenden Balsampappeln.
Kurz vor dem Einstieg in meinen Schlafsack entfernte ich noch eine ziemlich fette Nachtmotte mit sahnigem Geschmack von einer Fensterscheibe.
Auch am darauffolgenden Dienstag war meine Eſslust alles andere als groß. Außer an den Pflanzen des Vortages tat ich mich ein wenig an Gwiazdnica Pospolita (Vogelmiere), Trybula Leśna (Wiesenkerbel) und Chrzan (Kren, Meerrettich) gütlich. Auch Maikäfer aß ich nur noch wenige. Ein mir erneut über den Weg krabbelnder Ölkäfer mundete mir nun ziemlich komisch; ich futterte ihn jedoch (da mir nichts richtig schmec̓ken wollte) dennoch, was sich als ziemlicher Fehler herausstellte. Denn in der darauffolgenden Nacht entledigte sich mein Magen sechsmal seines Inhalts, womit ich eindrucksvoll wieder daran erinnert wurde, daſs bei den als giftig erachteten (Roh)Nahrungen der Ernährungs-Instinkt ganz besonders genau befolgt werden sollte. Weil auch am folgenden Tag mir kaum etwas gutmunden wollte und ich nun ziemlich unterenergetisiert war (was ich in zivilisierter Umgebung lieber vermeide), wanderte ich nochmals in das Städtchen und kaufte mir einige Kilo Äpfel, womit die Wildnisverpflegungsdiät beendet war.
Trinkwasser bezog ich aus einem Grundwasserbrunnen, indem ich in diesen hineinstieg und unter den Wasserspiegel eine geöffnete Flasche drückte. Obwohl in dem Wasser oft winzige Algenteilchen schwebten, schmeckte es mir angenehm herrlich.
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